Story/Film (5 P):
Ich bin begeistert. Die Mutter aller Anti-Kriegsfilme
aus dem Jahre 1930 hat auch nach ca. 80 Jahren kaum bis nichts an Intensität
und Aussagekraft eingebüßt. All Quiet On The Western Front kann mit aktuellen
oder neueren Filmen und Serien, wie z.B. Band Of Brothers locker mithalten,
diente fast allen Größen des Genres als Vorlage oder Selbstbedienungsladen und
ist ein Meilenstein der Filmgeschichte, welcher auch mit dem Oscar für den
„Besten Film“ belohnt wurde.
Man mag nun denken, dass ein 80-jähriger Anti-Kriegsfilm
wenig in Bezug auf seine Kampfhandlungen zu bieten hat oder diese billig wirken
und nach heutigem Standard nicht überzeugen können. Weit gefehlt. Die
Massenschlachten und Kämpfe, inkl. Dauerbombardements sind auch heutzutage noch
beeindruckend und toll in Szene gesetzt. Vor allem die authentischen Sets, die
zerstörten Ruinen, Häuser, Kirchen und schlammigen Schützengräben, sowie die
mit Stacheldraht übersäten Kriegsfelder, in Kombination mit den tollen Kostümen
und den permanent einschlagenden Mörsern, schaffen eine beklemmende und
beeindruckende Atmosphäre, wie es moderne Anti-Kriegsfilme nicht viel besser
hinbekommen würden.
Schauspielerisch mag die ein oder andere Leistung
dezent übers Ziel hinaus schießen, ist aber immer noch besser als neumodisches,
stoisches Dreinblicken ohne jegliche Gefühlsregung. Die Dialoge mögen zwar im
Englischen etwas fehl am Platze wirken, da hier ausschließlich die Sicht und
die Erfahrungen von deutschen Soldaten geschildert werden, allerdings sind diese
ausgesprochen gut geschrieben, so dass dies nicht weiter stört. Generell wird
eine hervorragende Leistung geboten, wenn es um Charakterzeichnung und
–entwicklung geht. Der gesamte Aufbau ist stimmig, die drei Akte harmonieren
sehr gut, das Pacing ist überraschend kurzweilig und die mehr als zwei Stunden
vergehen wie im Flug.
Was an Im Westen Nichts Neues besonders gut gefällt
sind seine Themen, die Kritik am damaligen deutschen Staat, das gekonnte
Herausarbeiten, dass Soldaten im Grunde alle gleich sind und sich die
tatsächlich an der Front bekriegenden Parteien nur auf Befehl hin agieren und
oft den Kriegshintergrund gar nicht kennen oder verstehen. Auch wird eine
Entfremdung mit der Familie und der im Heimatland lebenden Zivilbevölkerung
behandelt, die aufgrund verschiedener Ansichten um das Kriegsgeschehen an der
Front und dem Voranrücken, bzw. Zurückdrängen der Feinde(slinie) entstehen und nur auf propagandistischem Halbwissen beruhen und nicht wie bei den Soldaten auf harten Fakten basieren.
Wie in modernen Filmen oder eben Band Of Brothers wird
ein glaubhaftes Zusammenwachsen der alten Hasen und der neuen Soldaten, mit
welchen der Film beginnt, gezeigt. Es entsteht eine Kameradschaft, eine
eingeschworene Bruderschaft, in der später die "alten" Frischlinge selbst
zu alten Hasen werden und der geblendeten Jugend in der Heimat die Augen öffnen
und den jungen Soldaten zur Seite stehen. Mit vielen Kleinigkeiten und sehr
guten Einfällen versetzt, bietet der Film jede Menge Denkanstöße,
Nebenhandlungen und auch etwas Witz, wenn angebracht.
Vieles, fast alles kommt dem Zuschauer zwar bekannt
vor, wenn er eben angesprochenes TV-Format von Spielberg und Hanks, aber auch
Kubricks Klassiker Full Metal Jacket kennt, an der Größe und der Genialität des
Films ändert dies jedoch nichts. Seien es Charaktere, die ähnlich oder leicht
abgewandelt aus All Quiet On The Western Front übernommen wurden, seien es
kurze Nebenhandlungen, die in aktuellen Werken einer ganzen 45-minütigen
Episode dienlich waren, sei es etwas wie ein verfluchtes Paar Lederstiefel, in
Band Of Brothers eine Luger-Pistole oder die holde Weiblichkeit, die in diesem
meisterhaften Anti-Kriegsfilm auftauchen, es passt alles zusammen, es wirkt
nichts erzwungen oder unglaubwürdig. Im Westen Nichts Neues deckt im Grunde
alles ab, wofür es Spielberg, Kubricks & Co. zusammen mehrerer Filme und
Serien bedurfte.
P.S. Man kann lediglich alle nur erdenkliche Daumen drücken und die Arschbacken zusammen kneifen und hoffen, dass das für dieses Jahr geplante (erneute) Remake, in dem Harry Potter die Hauptrolle spielen soll, niemals wirklich umgesetzt wird.
Bild (3,5 P):
Im Westen Nichts Neues hat eine sehr aufwändige
Restauration hinter sich. Schaut man sich entsprechendes, ca. 9-minütiges
Special an, welches u.a. die Restauration dieses Films etwas erläutert, sieht
man, dass unzählige Risse, Kratzer und Verschmutzungen ausgebessert wurden. Des
Weiteren wurde das Flackern und Flimmern auf ein kaum noch wahrnehmbares
Minimum reduziert und der unruhige, teils wackelnde Bildstand wurde ebenfalls
unter Kontrolle gebracht. Darüber hinaus wurde entsprechender HD-Transfer angefertigt.
Für dieses Unterfangen, welches bei All Quiet On The Western Front
offensichtlich sehr umfangreich war, muss man ein großes Lob aussprechen.
Dennoch hat das Bild mit ein paar Schwächen zu
kämpfen, die ihm auf Dauer die uneingeschränkt gute Wertung leider ruinieren.
Das Einzige was mich wirklich gestört hat, waren ein paar Versuche, das Filmkorn
innerhalb der ersten 20-30 Minuten nieder zu ringen und die Tatsache, dass man sich dafür auch
einiger hässlicher Filter bedient hat, die in dieser Anfangszeit in vielen
Close-Ups der Gesichter erkennbar werden. In dieser Zeit beschränken sich die
Antirauschfilter aber wirklich nur auf Nahaufnahmen und sind im späteren, bzw.
weiteren Verlauf nicht mehr auszumachen.
Des Weiteren schwankt der Schärfe- und Detailgrad
zwischen einem soliden und einem guten Maße dezent hin und her. Die
Durchzeichnung ist meistens sehr gut, es treten nur vier bis fünf sehr kurze
Einstellungen auf (ca. 1-2 Sekunden), die fast gar nicht HD-würdig und un-überarbeitet
erscheinen, Fokusfehler kann man nur selten ausmachen und während ein, zwei
kürzeren Sequenzen treten vermehrt Schmutzpartikel auf, die man wohl nicht
ausbessern konnte. Abgesehen davon erscheint das Bild sehr sauber.
Aufgrund dieser Dinge lässt sich das Bild leider nicht
mehr wirklich als „gut“ bezeichnen, dennoch ist es gut schaubar, liegt auf
einem gehobenen Niveau und kann sich für einen Film von ca. 80 Jahren durchaus
sehen lassen.
P.S. Effektaufnahmen, Massenszenen und Distanzaufnahmen sehen meistens gut
aus. Auch muss man sagen, ist das Bild im Gesamten sehr stimmungsvoll und ein
paar verrauschte oder „nebelige“ Einstellungen sind der Atmosphäre eher
dienlich und stören kaum.
Sound (Engl. MA-Audio) (3 P):
Der Mono-Sound ist leider stark durchwachsen und ab
und zu ist ein deutliches Hintergrundrauschen zu vernehmen. Auch die
Dialogwiedergabe schwankt zum Teil auffällig und während einiger kürzerer
Sequenzen fällt diese in ihrer Lautstärke spürbar ab. Zu störenden (!)
Übersteuerungen kommt es nicht und die teilweise hohen Frequenzen der niedersausenden
Mörser oder Geschosse sind für einen derart alten Film schön in eingefangen und umgesetzt,
relativ präzise und können beim Einschlag sogar einen leichten, aber dumpfen
und diffusen Bass generieren.
Auch wenn die Balance nicht allzu gut ist und o.g. Schwankungen
vorkommen, kann der Mix dennoch eine gewisse Dynamik an den Tag legen, die Action
weiss stellenweise sogar richtig gut zu gefallen und die Dialoge sind, wenn es
drauf ankommt, immer noch verständlich.
Extras (2,5 P):
In Bezug auf die Extras kann dieses schön gestaltete
Digibook leider nicht wirklich überzeugen. Das einzig nennenswerte
Feature ist die Stummfilmfassung mit Texttafeln und das tolle, 36 Seiten starke Booklet. Die Stummfilmfassung liegt aber leider nur in
Standard Defintion (SD) und Dolby Digital vor.
Des Weiteren gibt es das bekannte Restaurationsfeature
von diversen älteren Universal-Klassikern, eine Einführung eines
Filmhistorikers und ein allgemein gehaltenes Academy Awards Specialfeature, da
Im Westen Nichts Neues den Goldjungen in der Kategorie „Bester Film“ abgestaubt
hat.
P.S. Es gibt kein Hauptmenu und der Film fängt nach den üblichen Hinweisen
direkt an zu laufen. Ein Pop-Up Menu gibt es aber wenigstens.
5,0 von 5 - Story
3,5 von 5 - Bild
3,0 von 5 - Sound
2,5 von 5 - Extras
78% Gesamtwertung
64% technische Umsetzung
3,0 von 5 - Sound
2,5 von 5 - Extras
78% Gesamtwertung
64% technische Umsetzung
Player:
Playstation 3
Mitsubishi HC-4000
Blu Ray: Im Westen Nichts Neues (1930) – Digibook
Ein Leser hat folgende Frage gestellt. Leider kamen die Zeilen nur in Mail-Form und nicht als Kommentar an - komisch.
AntwortenLöschenHy E.Stein,
kannst du mir sagen ob es sich bei dieser Fassung um die vom ZDF durchgeführte Rekonstruktion des Films handelt (135 Minuten), oder es nur die gekürzte Version (128 Minuten) ist !?
Danke dir im voraus ,Gruß
tobehooper
Gute Frage. Genau werde ich es dir auch nicht beantworten können. Gefragt habe ich mich das überigends auch. Was ist uncut? Kann man diese Version als ungeschnitten bezeichnen? ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich denke aber, dass diese Fassung hervorragend ist, sie wirkt nicht zensiert, geschnitten oder so als fehle etwas Essentielles. Die kritische Hinterfragung des Krieges im Allgemeinen ist intakt und alles andere scheint auch zu stimmen. Für die damalige Zeit (und auch heute noch) überraschend authentisch, nachdenklich und kritisch gegenüber dem Staat; nicht nur dem deutschen.
Aber lange Rede kurzer Sinn. hier ein paar zusammengetrage Fakten:
Die ZDF-Austrahlung Mitte der 80er läuft 132:58 Min. (o. A.) - basierend auf ofdb.de und schnittbereichte.com. Diese wird aber gerne oft als 135 Minuten Langfassung ausgegeben, was natürlich auch nicht stimmt.
Diese Blu Ray läuft nun 133:03, bzw. 133:25 min.( o.A.) - basierend auf ofdb.de und schnittbereichte.com
Ich denke jedoch, dass man dies nur bedingt vergleichen kann, denn in diesem Falle kann ich mir sehr gut vorstellen, dass der PAL/NTSC Unterschied bedacht werden muss und die Zeiten entsprechend stark auseinander gehen würden.
und wenn man sich nun auf imdb.com schlau macht stößt man auf folgenden Link:
http://www.imdb.com/title/tt0020629/alternateversions?ref_=tt_ql_trv_5
Hier kann man lesen, dass unterschiedliche Versionen (neben der Stumm, bzw. Sprachfassung) 1939 und in den 40er Jahren entstanden sind. Es handelt sich definitiv nicht um die 1939 Version!
Kurz vor seinem Tod bat der Regisseur Universal darum seine Wunschfassung wieder herzustellen und 1998 (also 15 Jahre nach der ZDF Fassung) wurden aufgrund dessen 30 Minuten eingefügt, die allem Anschein nach heruasgenommen wurden und der Film daraufhin einem/dem Director´s Cut aus dem Jahre 1930 gleichkommt.
Um dich jetzt noch mehr zu verwirren, anbei die unterschiedlichen Lauflängen diverser Versionen, welche auf imdb.com gelistet sind
AntwortenLöschen145 min (cut) | 147 min (BBFC submission before censorship) | 133 min (restored) | 138 min (copyright length) | 128 min (DVD edition) | 101 min (TV)
Ob man hier bei den langen Versionen entsprechenden NTSC Unterschied herausrechnen muss, kann ich nicht sagen, genauso wenig kann ich die Frage beantworten, ob alle Versionen Sprachfassungen sind oder evtl. Texttafeln, die ein oder andere Fassung "verlängern" oder "verkürzen".
In der hier ebenfalls vorliegenden Stummfilmfassung, welche ungefähr dieselbe Lauflänge besitzt fehlt jedoch eine große Szene und somit kann diese alt "gekürzt" verstanden werden. Technisch wäre diese in Stummfilmform jedoch gar nicht umsetzbar gewesen. Hier ein paar zeilen, die ich im Netzt gefunden habe:
In the “talkie” version, Paul and two of his classmates have an interlude with some maidens in a French cottage where Paul spends some time with one of the girls. Paul’s dialogue with the girl is left completely off camera, and we listen to their discussion from the next room. At the end of the scene, the guys all go running out the front door. In the silent version, this entire part of the cottage sequence is removed.
Sucht man weiter im Netz stößt man u.a. auf folgenden Link:
http://www.examiner.com/review/blu-ray-review-all-quiet-on-the-western-front-1930
Dieser lässt vermuten, dass es sich tatsächlich um den von Regisseur Milestone gebetenen Director´s Cut aus den 90er Jahren handelt, um welchen er Universal kurz vor seinem Tod gebeten hat.
Wahrscheinlich kann man über die ganzen Fassungen Tage diskutieren. Die Zeit hierfür ist mir jedoch zu kostbar. Meiner Meinung nach bekommt man mit dieser HD Version eine ausgezeichnete Version des Films geboten, welche höchstwahrscheinlich als inoffizieller Director´s Cut verstanden werden kann, in dem aber dennoch nicht alle Szenen enthalten sind, welche gedreht wurden! Das Booklet der Blu Ray Ausgabe zeigt ein paar Archivfotos und geht ganz am Rande auf Deleted Scenes ein. Aufschluss gibt es aber dennoch nicht.
Die einzigen, die Licht ins Dunkel bringen können, sind Universal selbst, vermute ich.