Freitag, 21. Februar 2014

Im Westen Nichts Neues (1930) – Digibook (Blu Ray)




Story/Film (5 P):
Ich bin begeistert. Die Mutter aller Anti-Kriegsfilme aus dem Jahre 1930 hat auch nach ca. 80 Jahren kaum bis nichts an Intensität und Aussagekraft eingebüßt. All Quiet On The Western Front kann mit aktuellen oder neueren Filmen und Serien, wie z.B. Band Of Brothers locker mithalten, diente fast allen Größen des Genres als Vorlage oder Selbstbedienungsladen und ist ein Meilenstein der Filmgeschichte, welcher auch mit dem Oscar für den „Besten Film“ belohnt wurde.

Man mag nun denken, dass ein 80-jähriger Anti-Kriegsfilm wenig in Bezug auf seine Kampfhandlungen zu bieten hat oder diese billig wirken und nach heutigem Standard nicht überzeugen können. Weit gefehlt. Die Massenschlachten und Kämpfe, inkl. Dauerbombardements sind auch heutzutage noch beeindruckend und toll in Szene gesetzt. Vor allem die authentischen Sets, die zerstörten Ruinen, Häuser, Kirchen und schlammigen Schützengräben, sowie die mit Stacheldraht übersäten Kriegsfelder, in Kombination mit den tollen Kostümen und den permanent einschlagenden Mörsern, schaffen eine beklemmende und beeindruckende Atmosphäre, wie es moderne Anti-Kriegsfilme nicht viel besser hinbekommen würden.

Schauspielerisch mag die ein oder andere Leistung dezent übers Ziel hinaus schießen, ist aber immer noch besser als neumodisches, stoisches Dreinblicken ohne jegliche Gefühlsregung. Die Dialoge mögen zwar im Englischen etwas fehl am Platze wirken, da hier ausschließlich die Sicht und die Erfahrungen von deutschen Soldaten geschildert werden, allerdings sind diese ausgesprochen gut geschrieben, so dass dies nicht weiter stört. Generell wird eine hervorragende Leistung geboten, wenn es um Charakterzeichnung und –entwicklung geht. Der gesamte Aufbau ist stimmig, die drei Akte harmonieren sehr gut, das Pacing ist überraschend kurzweilig und die mehr als zwei Stunden vergehen wie im Flug.



Was an Im Westen Nichts Neues besonders gut gefällt sind seine Themen, die Kritik am damaligen deutschen Staat, das gekonnte Herausarbeiten, dass Soldaten im Grunde alle gleich sind und sich die tatsächlich an der Front bekriegenden Parteien nur auf Befehl hin agieren und oft den Kriegshintergrund gar nicht kennen oder verstehen. Auch wird eine Entfremdung mit der Familie und der im Heimatland lebenden Zivilbevölkerung behandelt, die aufgrund verschiedener Ansichten um das Kriegsgeschehen an der Front und dem Voranrücken, bzw. Zurückdrängen der Feinde(slinie) entstehen und nur auf propagandistischem Halbwissen beruhen und nicht wie bei den Soldaten auf harten Fakten basieren.
Wie in modernen Filmen oder eben Band Of Brothers wird ein glaubhaftes Zusammenwachsen der alten Hasen und der neuen Soldaten, mit welchen der Film beginnt, gezeigt. Es entsteht eine Kameradschaft, eine eingeschworene Bruderschaft, in der später die "alten" Frischlinge selbst zu alten Hasen werden und der geblendeten Jugend in der Heimat die Augen öffnen und den jungen Soldaten zur Seite stehen. Mit vielen Kleinigkeiten und sehr guten Einfällen versetzt, bietet der Film jede Menge Denkanstöße, Nebenhandlungen und auch etwas Witz, wenn angebracht.

Vieles, fast alles kommt dem Zuschauer zwar bekannt vor, wenn er eben angesprochenes TV-Format von Spielberg und Hanks, aber auch Kubricks Klassiker Full Metal Jacket kennt, an der Größe und der Genialität des Films ändert dies jedoch nichts. Seien es Charaktere, die ähnlich oder leicht abgewandelt aus All Quiet On The Western Front übernommen wurden, seien es kurze Nebenhandlungen, die in aktuellen Werken einer ganzen 45-minütigen Episode dienlich waren, sei es etwas wie ein verfluchtes Paar Lederstiefel, in Band Of Brothers eine Luger-Pistole oder die holde Weiblichkeit, die in diesem meisterhaften Anti-Kriegsfilm auftauchen, es passt alles zusammen, es wirkt nichts erzwungen oder unglaubwürdig. Im Westen Nichts Neues deckt im Grunde alles ab, wofür es Spielberg, Kubricks & Co. zusammen mehrerer Filme und Serien bedurfte.



P.S. Man kann lediglich alle nur erdenkliche Daumen drücken und die Arschbacken zusammen kneifen und hoffen, dass das für dieses Jahr geplante (erneute) Remake, in dem Harry Potter die Hauptrolle spielen soll, niemals wirklich umgesetzt wird.

Bild (3,5 P):
Im Westen Nichts Neues hat eine sehr aufwändige Restauration hinter sich. Schaut man sich entsprechendes, ca. 9-minütiges Special an, welches u.a. die Restauration dieses Films etwas erläutert, sieht man, dass unzählige Risse, Kratzer und Verschmutzungen ausgebessert wurden. Des Weiteren wurde das Flackern und Flimmern auf ein kaum noch wahrnehmbares Minimum reduziert und der unruhige, teils wackelnde Bildstand wurde ebenfalls unter Kontrolle gebracht. Darüber hinaus wurde entsprechender HD-Transfer angefertigt. Für dieses Unterfangen, welches bei All Quiet On The Western Front offensichtlich sehr umfangreich war, muss man ein großes Lob aussprechen.

Dennoch hat das Bild mit ein paar Schwächen zu kämpfen, die ihm auf Dauer die uneingeschränkt gute Wertung leider ruinieren. Das Einzige was mich wirklich gestört hat, waren ein paar Versuche, das Filmkorn innerhalb der ersten 20-30 Minuten nieder zu ringen und die Tatsache, dass man sich dafür auch einiger hässlicher Filter bedient hat, die in dieser Anfangszeit in vielen Close-Ups der Gesichter erkennbar werden. In dieser Zeit beschränken sich die Antirauschfilter aber wirklich nur auf Nahaufnahmen und sind im späteren, bzw. weiteren Verlauf nicht mehr auszumachen.



Des Weiteren schwankt der Schärfe- und Detailgrad zwischen einem soliden und einem guten Maße dezent hin und her. Die Durchzeichnung ist meistens sehr gut, es treten nur vier bis fünf sehr kurze Einstellungen auf (ca. 1-2 Sekunden), die fast gar nicht HD-würdig und un-überarbeitet erscheinen, Fokusfehler kann man nur selten ausmachen und während ein, zwei kürzeren Sequenzen treten vermehrt Schmutzpartikel auf, die man wohl nicht ausbessern konnte. Abgesehen davon erscheint das Bild sehr sauber.
Aufgrund dieser Dinge lässt sich das Bild leider nicht mehr wirklich als „gut“ bezeichnen, dennoch ist es gut schaubar, liegt auf einem gehobenen Niveau und kann sich für einen Film von ca. 80 Jahren durchaus sehen lassen.

P.S. Effektaufnahmen, Massenszenen und Distanzaufnahmen sehen meistens gut aus. Auch muss man sagen, ist das Bild im Gesamten sehr stimmungsvoll und ein paar verrauschte oder „nebelige“ Einstellungen sind der Atmosphäre eher dienlich und stören kaum.

Sound (Engl. MA-Audio) (3 P):
Der Mono-Sound ist leider stark durchwachsen und ab und zu ist ein deutliches Hintergrundrauschen zu vernehmen. Auch die Dialogwiedergabe schwankt zum Teil auffällig und während einiger kürzerer Sequenzen fällt diese in ihrer Lautstärke spürbar ab. Zu störenden (!) Übersteuerungen kommt es nicht und die teilweise hohen Frequenzen der niedersausenden Mörser oder Geschosse sind für einen derart alten Film schön in eingefangen und umgesetzt, relativ präzise und können beim Einschlag sogar einen leichten, aber dumpfen und diffusen Bass generieren.
Auch wenn die Balance nicht allzu gut ist und o.g. Schwankungen vorkommen, kann der Mix dennoch eine gewisse Dynamik an den Tag legen, die Action weiss stellenweise sogar richtig gut zu gefallen und die Dialoge sind, wenn es drauf ankommt, immer noch verständlich.



Extras (2,5 P):
In Bezug auf die Extras kann dieses schön gestaltete Digibook leider nicht wirklich überzeugen. Das einzig nennenswerte Feature ist die Stummfilmfassung mit Texttafeln und das tolle, 36 Seiten starke Booklet. Die Stummfilmfassung liegt aber leider nur in Standard Defintion (SD) und Dolby Digital vor.
Des Weiteren gibt es das bekannte Restaurationsfeature von diversen älteren Universal-Klassikern, eine Einführung eines Filmhistorikers und ein allgemein gehaltenes Academy Awards Specialfeature, da Im Westen Nichts Neues den Goldjungen in der Kategorie „Bester Film“ abgestaubt hat.

P.S. Es gibt kein Hauptmenu und der Film fängt nach den üblichen Hinweisen direkt an zu laufen. Ein Pop-Up Menu gibt es aber wenigstens.



5,0 von 5 - Story   
3,5 von 5 - Bild 
3,0 von 5 - Sound
2,5 von 5 - Extras

78% Gesamtwertung

64% technische Umsetzung 

Player:
Playstation 3
 
Darstellung:
Mitsubishi HC-4000

Blu Ray: Im Westen Nichts Neues (1930) – Digibook


2 Kommentare:

  1. Ein Leser hat folgende Frage gestellt. Leider kamen die Zeilen nur in Mail-Form und nicht als Kommentar an - komisch.

    Hy E.Stein,

    kannst du mir sagen ob es sich bei dieser Fassung um die vom ZDF durchgeführte Rekonstruktion des Films handelt (135 Minuten), oder es nur die gekürzte Version (128 Minuten) ist !?

    Danke dir im voraus ,Gruß
    tobehooper


    Gute Frage. Genau werde ich es dir auch nicht beantworten können. Gefragt habe ich mich das überigends auch. Was ist uncut? Kann man diese Version als ungeschnitten bezeichnen? ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich denke aber, dass diese Fassung hervorragend ist, sie wirkt nicht zensiert, geschnitten oder so als fehle etwas Essentielles. Die kritische Hinterfragung des Krieges im Allgemeinen ist intakt und alles andere scheint auch zu stimmen. Für die damalige Zeit (und auch heute noch) überraschend authentisch, nachdenklich und kritisch gegenüber dem Staat; nicht nur dem deutschen.

    Aber lange Rede kurzer Sinn. hier ein paar zusammengetrage Fakten:

    Die ZDF-Austrahlung Mitte der 80er läuft 132:58 Min. (o. A.) - basierend auf ofdb.de und schnittbereichte.com. Diese wird aber gerne oft als 135 Minuten Langfassung ausgegeben, was natürlich auch nicht stimmt.
    Diese Blu Ray läuft nun 133:03, bzw. 133:25 min.( o.A.) - basierend auf ofdb.de und schnittbereichte.com
    Ich denke jedoch, dass man dies nur bedingt vergleichen kann, denn in diesem Falle kann ich mir sehr gut vorstellen, dass der PAL/NTSC Unterschied bedacht werden muss und die Zeiten entsprechend stark auseinander gehen würden.

    und wenn man sich nun auf imdb.com schlau macht stößt man auf folgenden Link:
    http://www.imdb.com/title/tt0020629/alternateversions?ref_=tt_ql_trv_5
    Hier kann man lesen, dass unterschiedliche Versionen (neben der Stumm, bzw. Sprachfassung) 1939 und in den 40er Jahren entstanden sind. Es handelt sich definitiv nicht um die 1939 Version!
    Kurz vor seinem Tod bat der Regisseur Universal darum seine Wunschfassung wieder herzustellen und 1998 (also 15 Jahre nach der ZDF Fassung) wurden aufgrund dessen 30 Minuten eingefügt, die allem Anschein nach heruasgenommen wurden und der Film daraufhin einem/dem Director´s Cut aus dem Jahre 1930 gleichkommt.

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  2. Um dich jetzt noch mehr zu verwirren, anbei die unterschiedlichen Lauflängen diverser Versionen, welche auf imdb.com gelistet sind
    145 min (cut) | 147 min (BBFC submission before censorship) | 133 min (restored) | 138 min (copyright length) | 128 min (DVD edition) | 101 min (TV)
    Ob man hier bei den langen Versionen entsprechenden NTSC Unterschied herausrechnen muss, kann ich nicht sagen, genauso wenig kann ich die Frage beantworten, ob alle Versionen Sprachfassungen sind oder evtl. Texttafeln, die ein oder andere Fassung "verlängern" oder "verkürzen".

    In der hier ebenfalls vorliegenden Stummfilmfassung, welche ungefähr dieselbe Lauflänge besitzt fehlt jedoch eine große Szene und somit kann diese alt "gekürzt" verstanden werden. Technisch wäre diese in Stummfilmform jedoch gar nicht umsetzbar gewesen. Hier ein paar zeilen, die ich im Netzt gefunden habe:
    In the “talkie” version, Paul and two of his classmates have an interlude with some maidens in a French cottage where Paul spends some time with one of the girls. Paul’s dialogue with the girl is left completely off camera, and we listen to their discussion from the next room. At the end of the scene, the guys all go running out the front door. In the silent version, this entire part of the cottage sequence is removed.

    Sucht man weiter im Netz stößt man u.a. auf folgenden Link:
    http://www.examiner.com/review/blu-ray-review-all-quiet-on-the-western-front-1930
    Dieser lässt vermuten, dass es sich tatsächlich um den von Regisseur Milestone gebetenen Director´s Cut aus den 90er Jahren handelt, um welchen er Universal kurz vor seinem Tod gebeten hat.

    Wahrscheinlich kann man über die ganzen Fassungen Tage diskutieren. Die Zeit hierfür ist mir jedoch zu kostbar. Meiner Meinung nach bekommt man mit dieser HD Version eine ausgezeichnete Version des Films geboten, welche höchstwahrscheinlich als inoffizieller Director´s Cut verstanden werden kann, in dem aber dennoch nicht alle Szenen enthalten sind, welche gedreht wurden! Das Booklet der Blu Ray Ausgabe zeigt ein paar Archivfotos und geht ganz am Rande auf Deleted Scenes ein. Aufschluss gibt es aber dennoch nicht.

    Die einzigen, die Licht ins Dunkel bringen können, sind Universal selbst, vermute ich.

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